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                           Zur Geschichte des Geschlechtes Fürstein

                                     (Feurstein und Feuerstein)

                       herausgegeben anlässlich der 800-Jahrfeier

                                                    1160- 1960 

                                vom Familienverband Feuerstein in  
             
                   Bredenscheid über Hattingen/Ruhr

                  Verfasser: Helmut Gasteiner-Feuerstein, Salzburg



Ortega y Gasset hat einmal gesagt, die Geschichte müsse aufhören, eine Ausstellung von Mumien zu sein und sich in das verwandeln, was sie in Wahrheit ist, ein enthusiastischer Versuch der Auferstehung! Aber in der heutigen Zeit gibt es nur eine Minderheit, der Geschichte mehr bedeutet als bloß mechanischer Zeitablauf, lediglich bedingt durch die jeweils herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse. Was sagt es diesen Leuten, wenn sie zufällig einen Einblick bekommen, wer ihre Vorfahren waren, woher sie stammten und wie es in dieser früheren Heimat zuging? In einer Periode des größten wissenschaftlichen Fortschrittes könnte Familienforschung als Hobby betrachtet werden, als Freizeitgestaltung oder gar als bürgerliche Eitelkeit. Doch ist es gerade diese Wissenschaft, die ganz ungewollt etwas ans Tageslicht brachte, nicht nur die Vererbbarkeit äußerer Erscheinungsformen, sondern auch das Weitergeben seelischer Faktoren. Diese Tatsache eines erbbaren seelischen Stils bestimmt in einem ungeahnten Ausmaße unser Dasein, wo immer wir auch leben. Wir sind nicht mehr ziel und sinnlos in irgendeine Umwelt hineingeworfen, sondern tragen wissend oder nichtwissend - die Freuden und Sorgen, die Begabungen und Irrungen tausender Vorfahren in uns, so daß wir untrennbar mit diesem Gewesenen und Durchlebten  verbunden sind. Diese Religion hat nichts mit dem nebelig-verschwommenen Mythos von Blut und Rasse zu tun, durch den der krasse Materialismus überhöht und verdeckt werden sollte.

H i e r ist die wirkliche ganze Schöpfung gemeint mit Blutsnatur, Geistnatur und Übernatur, die im Menschen zu einer untrennbaren Einheit verwoben sind. Allgemeingültige Wertnormen gelten für alle Menschen; was aber davon verwirklicht wird, wie es erfaßt wird und wie im besonderen Werte hervorgehoben werden, das hängt von dem seelischen ererbtern Stil ab, der eben von der Herkunft her gegeben ist. Urteile, Begeisterung oder instinktive Ablehnung sind somit durch ein langes Erbe in der Anlage vorherbestimmt; aber was der einzelne daraus dann macht, hängt von  seinemWillen ab.

Im Alltag neigt der einzelne leicht dazu, wohl alles zur Kenntnis zu nehmen, alles wissen zu wollen und überall dabei zu sein. Aber er legt sich nicht fest, er steht nicht gerade für eine Idee, und so ist für ihn alles unverbindlich. Der Intellektuelle, im großen Sinne des Wortes, hat es leichter, da er die Dinge der Welt zerlegt, um sie zu erforschen und ihren Sinn zu ergründen. Wie aber soll der Alltagsmensch zu geschichtlichen Vorgängen einen Zugang finden, der mehr ist als Neugierde oder Sensationsfreude? Ihm ist doch die Welt ein Feld der Nutzbarkeit, wo man sich eben gut einrichten muß. Ihn anzusprechen, in ihm eine Erlebnisschicht aufzudecken, die er fast nie erkennt, ihm Sinn und Widersinn großer Geschichtstragödien vorzuführen, um die Gegenwart besser zu begreifen, dies müßte der tiefere Sinn von Familiengeschichte sein. So wird sie dann nicht nur Information, sondern auch Erzieher, Berater und Lenker. In der Masse der Meinungen und der Moden werden die Väter zu Mahnern und Führern.

Das Fürsteingeschlecht war in der Reichsgeschichte durch zahllose Feurstein und Feuerstein so bedeutend vertreten, daß seine Geschichte gar nicht davon zu trennen ist. Gleichzeitig sind auch tragende Ideen und Mächte dieses Reiches zu prüfen, die abwechselnd zu dessen Glanz oder Elend beigetragen haben.

Wenn wir die Geschichte der Feurstein und Feuerstein, - ein und dasselbe Geschlecht in oft wechselnder Schreibweise, - durchwandern, erkennen wir vieles, was dem Wahrheitsanspruch der heutigen Forschung nicht mehr standhält. Sei es ,,das finstere Mittelalter", die Reformation als Heilsanliegen, ihre politischen Triebkräfte, die Gestalten Karls V. und Philipps II., der glorifizierte Friedrich II. von Preußen, die Haltung der Habsburger, die Polenpolitik, der deutsche brave Nationalismus, von all dem in der Schule Gelernten muß Abschied genommen werden; lieb" gewordene und verehrte Vorstellungen bedürfen einer grundsätzlichen Veränderung und völligen Neueinstellung.

Ein aus Österreich stammendes Geschlecht ist völlig anders im deutschen Kulturraume beheimatet als ein anderes, das meist nur die Haltung der jeweiligen Landesherren mitmachen mußte. Da erwächst eine Pflicht  z u r W a h r h e i t, auch wenn sie noch so unbeliebt und unbequem ist. Es gilt hier, Wesentliches heil durch die Zeiten zu tragen und nachzudenken, was zur jahrhundertelangen Tragödie des europäischen Mittelraumes geführt hatte.

Ob jener junge Draufgänger des Namens Feuerstein, der am Marsch zur Feldherrnhalle teilnahm, wohl geahnt hat, daß unser Geschlecht einen großen Mahner und Bekenner hatte, den Theologen Feuerstein, der mit sehenden Augen die Irrungen unserer Zeit sah und den Folterungen im Vernichtungslager erlegen ist?

Wie oft in der Geschichte steht der Name Feuerstein dort, wo es um die Freiheit geht. Die Häscher Jéromes von Westfalen jagen den Freiheitskämpfer Friedrich Feuerstein, den Freund der Lützower Jäger, durch ganz Deutschland, während in Vorarlberg ein Feuerstein Anführer gegen die einbrechenden Heere Napoleons wird. Kaum je sind die prophetischen Worte des Brixener Bischofs Simon Feuerstein vor dem Innsbrucker Hof so aktuell gewesen wie in unseren Tagen. Er sagte, daß ,,die Spaltbarkeit des deutschen Volkes durch die Reformation ein" mal dazu führen kann, daß auch die  t e r r i t o r i a 1 e Spaltbarkeit eintreten kann!" Geht die Einheit des Glaubens verloren, verliert sich die Geschlossenheit des Denkens, die Einheit der Politik als Auftrag im Dasein und am Ende die Einheit des Territoriums.

Die neuen Diktatoren sind: die Mode und das ,,man". So treten an Stelle von Stil und Sitte allmählich Geschmack und Manieren. Generationen waren schon einem völligen Irrwege verfallen, der sie reif zur Katastrophe machte.

                          ,,Reißt die Kreuze aus der Erden,

                             alle sollen Schwerter werden,

                            Gott im Himmel wirds verzeihn!

                           Laßt, oh laßt das Verseschweißen,

                             auf den Amboß legt das Eisen, 

                               Heiland soll das Eisen sein"

So sind Hunderte von Familienangehörigen und Nachfahren auf den Schlachtfeldern des fortschrittlichsten Jahrhunderts geblieben, aber die Zählebigkeit der Verhetzung, der Geschichtsfälschungen, an denen letztlich das Reich zerbrach, ist erschreckend. Hier liegen Verpflichtungen eines Geschlechtes, das ein Halbjahrtausend der Ordnung diente.

Dieser Freiheitswille der Feuerstein gründet darin, daß schon vor 1400 das kleine bäuerliche Selfgouvernement des hinteren Bregenzerwaldes, - der Heimat des Geschlechtes, - Freiheiten erkämpfte und bewahrte, die in  u n s e r e n  Tagen Hunderten von Millionen Menschen vorenthalten sind. Vor 500 Jahren waren Rechte und Pflichten aufgestellt, die jetzt als große Errungenschaften in Weltdeklarationen verkündet werden. Die damals geschaffene Sozialordnung könnte jetzt noch vollgültig zum Vorbilde, auch im Wahlrecht, dienen.

Die Bregenzerwäldler sind immer treu zum Reiche gestanden Dieses ,,ewige Reich", nicht mehr eingebunden in den Torso seiner historischen Fixierung in Zentraleuropa' ist und bleibt Verpflichtung und Auftrag. Es wird erst dann erlöschen, wenn das völkerumspannende Ethos des Evangeliums versiegen und dadurch Abbaddon, der Engel des Abgrunds freigesetzt werden sollte. Der transzendente Heilsauftrag dieses Reiches - die Verteidigung und Ausbreitung des christlichen Glaubens, - ist jetzt identisch mit der Verpflichtung aller Politiker, im Völkerbündnis die von Gott verliehene Würde des Menschen vor dämonischer Pervertierung zu retten.

,,Per me reges regnant" (durch Mich regieren die Könige) steht auf dem Oktogon der Krone aller Kronen. Dieser ethisch-politische Gehalt ist immer der Leitsatz der Großen unseres Geschlechtes gewesen.

                                              ***

Die Ausbreitung des Geschlechtes Feurstein-Feuerstein in Mitteleuropa hat es mit sich gebracht, daß viele Nachfahren nichts oder kaum etwas über die Geschichte ihrer g e m e i n s a m e n Heimat wissen. Manche Gruppen davon, wie die Elsässer, haben nur noch eine ganz dunkle Vorstellung von einer Herkunft aus der Bodenseegegend.Deshalb wird eine allgemeine geschichtliche Übersicht vorangestellt, insoweit die darin enthaltenen Ereignisse direkten Einfluß auf die Schicksale der Feuersteinfamilie hatten oder die Voraussetzung für das Werden der Bauernrepublik des hinteren Bregenzerwaldes bildeten. Die eigentliche familiengeschichtliche Darstellung folgt im zweiten Teil.

I.

Lange vor der Zeit, da uns die erste Kunde von dem Lande vor dem Arlberg bis zum Bodensee zugekommen ist, hat es quer durch dieses Land Vorarlberg eine uralte Kultur- und Sprachgrenze gegeben.

Der Nordteil des Landes zum Bodensee hin war keltisch, dem Westen zugehörig. Anders der Süden: hier war illyrischer Kulturraum, der dem Osten zugezählt werden muß. Später wurde er zum Rückzugsgebiet der Rhätoromanen, die sich dort bis in die neuere Zeit erhalten konnten.

Eine keltische Frühsiedlung mußte dem römischen Castrum Brigantium weichen. (Bregenz: Brigantier= keltische Gauschaft. Breg und Brigach, Quellflüsse der Donau. Brigantion = Briancon in Gallien).

Die Alemannen stießen am Bodensee 353 n.Chr. das erstemal mit römischen Heeren zusammen. Nach Vernichtung der germanischen Hauptmacht durch König Chlodwig (506 u. 507 fl. Chr.) zogen sich die alemannischen Überreste durch die Ostschweiz zurück. Solche Hundertschaften gelangten auch nach Vorarlberg und von der Dornbirner Gegend aus in den unbesiedelten hinteren Bregenzerwald, wo sie vor den Franken sicher waren. Über diese Markgenossenschaft, die sich dort über 700 Jahre unbehelligt halten konnte, fehlen urkundliche Nachrichten. Aber alle Wesenszüge der bäuerlichen Selbstverwaltung des hinteren Bregenzerwaldes (siehe Karte am Ende) lassen sich nur aus einer solchen alemannischen Landnahme erklären.

Wie die Missionare Kolumban und Gallus im Jahre 611 n. Chr. die Gegend um Bregenz vorgefunden haben, ist nicht bekannt. Sicher fanden sie unter alemannischer Herrschaft noch römische Traditionen und Bevölkerungsteile vor. Heidnische Reste sind im Bregenzerwald noch die Weormosul (Irmensul), die Jermenbündt, die Ermenwis, die Erwähnung der Erzlaren und vorchristliche heidnische Bräuche.

Der gelehrte Mönch Walafrid Strabo aus dem Kloster Reichenau gibt uns 830 n. Chr. die erste Kunde vom Bregenzerwald, den er ,,eine menschenleere Wüstenei, einen Urwald" nennt. Allerdings dürfte er von Bregenz aus nur wenig in den Wald vorgedrungen sein und nichts von der Besiedelung des h i n t e r e n Talteiles geahnt haben.

Diese Unzugänglichkeit des Bregenzerwaldes bewährte sich oft in kriegerischen Zeiten. 948 n. Chr. stand der Schwabenherzog Hermann im Kampfe mit den Grafen von Bregenz. Viele Bewohner der angrenzenden bayrischen Gebiete haben vor den mordenden Ungarn im Bregenzerwald eine sichere Zuflucht gefunden. Bären und Wölfe erschwerten um 1080 n. Chr. eine Klostergründung der Bregenzer Grafen in Andelsbuch. Das Kloster wurde aber bald aufgegeben; die alemannischen Siedler wußten zuviel vom Landhunger solcher Gründungen, durch die sie allmählich um ihre Freiheiten gebracht worden wären. Als Wälderheilige werden jetzt noch die seligen Diedo, Merbot und Ilga (auch Hilga, Athahilda, später Ottilie, 720) verehrt.

Den churrhätischen Grafen in Bregenz, aus dem ursprünglich aus Frankreich stammenden Geschlechte der Uldarichinger - mit Karl dem Großen verwandt - folgten später die Grafen von Montfort, deren Feldkircher Linie dem Bregenzerwald immer wohlwollend zugetan blieb. Die Montforter hatten im Bregenzerwald ihre Jagd und waren froh, daß die dortigen Bewohner, rauhe verwegene Gebirgler, durch eigene Führungsfamilien für Ordnung und Sicherheit Sorge trugen.

 

In einer päpstlichen Schutzbulle wird 1249 n. Chr. der Ort Bezau (Bätzenegge) erwähnt. Rudolph von Habsburg verpfändet den hinteren Bregenzerwald, soweit er Reichsgut war, im Jahre 1290 n. Chr. an Hugo von Montfort. Eine Erweiterung dieser Verpfändung, die für die Stellung des freien hinteren Bregenzerwaldes kennzeichnend ist, stammt von König Albrecht (1307 n.Chr.). Weitere Bestätigungen sind von 1401 bis 1489 n. Chr. vorliegend und betreffen die Schildhuben, welche Reichslehen waren.

 

Nach der Teilung des Gebietes des Bregenzerwaldes in einen vorderen und hinteren Teil (um 1338 n. Chr.) hat wohl die Landammannschaft ihre bleibende Form erhalten. Die Vorteile der freien Stellung zum Reich wurden eifrig ausgebaut. Da es an Urkunden aus dieser Zeit fehlt, darf auf die gleiche Entwicklung in den deutschen Bergkantonen der Schweiz hingewiesen werden. So gehörte Uri zum Zürichgau, bildete eine alemannische Markgenossenschaft, die von Zeit zu Zeit zusammentreffen mußte. Die wirtschaftliche Freiheit erlaubte auch eine freie politische Tätigkeit für die Bauern. Seit 1291 n. Chr. hatten sie dort die freie Wahl des Landammannes. Überhaupt ist die Gleichheit verschiedenster politischer Einrichtungen ganz auffallend.

 

Die Unabhängigkeit des Bregenzerwaldes bedurfte auch der Verteidigungsbereitschaft. Die Stellung eines Wehrkontingentes gehörte zu den Reichspflichten. So kamen um 1360 n. Chr. die Bregenzerwäldler den Montfortern bei der Belagerung von Grembs zu Hilfe.

 

Die Kärglichkeit des Gebirgsbodens zwang immer wieder die Bauernsöhne, sich den streitbaren Dynastien als Soldaten anzubieten. Noch in der Zeit der Venetianerkriege wurden in Vorarlberg Söldner angeworben.

 

Es kamen stürmische Jahre: Graf Rudolph VI. mußte seine Herrschaft an den österreichischen Herzog Leopold III. verkaufen, dem die Bevölkerung 1380 n. Chr. huldigte. Diese Machtverschiebung führte bald zum Kriege. Die Söldner des Herzogs Friedrich von Tirol besetzten den Bregenzerwald am 28. Februar 1415, dann eroberte Wilhelm von Bregenz das ganze Gebiet. Schließlich fiel der hintere Bregenzerwald in den Machtbereich des schweizerischen Grafen Toggenburg. Erst nach dessen Tode konnten die Habsburger 1436 sich allmählich wieder in den Besitz des ganzen Gebietes setzen. Sie blieben dort bis zum Jahre 1918.

 

Auch die Ereignisse an den Landesgrenzen hatten ihre Rückwirkungen auf den Bregenzerwald. Versuchte doch Friedrich von Tirol mit Gebirgstruppen 1417 das Konzil von Konstanz zu sprengen. Flüchtlinge berichteten von den Grausamkeiten der Hussitenheere, Reichstruppen wurden vernichtet, Kirchenreformen blieben Versprechungen. Das Baseler Konzil (1431-1448) erhöhte die Zerwürfnisse zwischen Kirche und Königtum.

Mehr als dies aber bedrückte die Bauern des Bregenzerwaldes der Wahnsinn, mit dem Karl der Kühne von Burgund die Schweizer Bauern verfolgte. Sie werden noch im 17. Jahrhundert ,,unsere lieben Freunde und Nachgespuren" genannt. Hier galt nur kluge Politik, denn die streitenden Fürsten trachteten überall, die Lasten auf die Städte und Gemeinwesen abzuwälzen. So sieht man immer das Bestreben der Bregenzerwälder Landammänner, sich tunlichst aus allen Konflikten herauszuhalten.

Inzwischen ging sogar Wien an den Ungarn Mathias Corvinus verloren, während der Kaiser im Reich umherirrte.

Die Appenzellerkriege hatten in Vorarlberg Plünderung und Armut gebracht. Fast alle Adelsburgen fielen in Schutt und Asche. Trotz der Bauernsiege wuchs ständig die Macht der Fürsten.
 


                                        ***

Um die Zeit der Entdeckung Amerikas war die Besiedelung des Bregenzerwaldes abgeschlossen; Wiesen und Weidegründe konnten nicht mehr vergrößert werden. Schätzungsweise wird die damalige Bevölkerung ca. 16 000 Menschen ausgemacht haben. Da es über Steuern und Zinsen, Pachtungen und Fählen ein sehr reiches Urkundenmaterial gibt, verfügen wir über eine gute Überschau über die bäuerlichen Verhältnisse: der Stand von 4800 Kühen hat sich durch Jahrhunderte unverändert gehalten.

 

Von Anfang des 14. Jahrhunderts an machte sich von seiten des Adels, der auf Großgrundbesitz fundierten Klöster und der Städte ein wachsender Druck auf das freie Landvolk bemerkbar, der dieses allmählich in Botmäßigkeit und schließlich in ein Untertanenverhältnis brachte.

 

Die ursprünglich gleichen Volksgenossen teilten sich alsbald in eine herrschende Oberschicht und eine breite Unterschicht. Es lag am deutschen Eigenkirchensystem, am Landhunger der Klöster und des Adels, daß das freie Landvolk zum Zinsen und Hörigen herabgedrückt wurde. Dieser Entwicklung ist der Bregenzerwald entgangen; er verdankt diese in der deutschen Geschichte seltene Ausnahmestellung allerdings mehr seiner glücklichen geographischen Abgeschlossenheit, so daß sich die ,,von alten Zeiten her" ererbten Freiheiten vom freien Märkerrecht bis zum mittelalterlichen Hochgericht zeitgemäß entwickeln konnten. Man zahlte die Reichssteuer, stellte das Soldatenkontingent und enthielt sich jeder Teilnahme an politischen Aggressionen.

 

Die erwählten Landammänner hatten keine Vorrechte; nie tauchten Streitigkeiten zwischen Landammann und Rat auf. Das Wahlprivilegium Kaiser Maximilians 1. vom 22. November 1497 bestätigte die Selbstregierung des Bregenzerwaldes. Die Landammänner fanden auch von seiten verschiedener Kaiser gebührende Beachtung, wovon die zahlreichen Wappen und Adelsdiplome zeugen, die sie erhalten hatten.

      Die Freiheitsrechte des Bregenzerwaldes waren:

           die Gleichberechtigung aller herdbesitzenden Volkgenossen,

           die freie Wahl der Landammänner,

           die eigene Gerichtsbarkeit und das Begnadigungsrecht,

           die pauschalierte Reichssteuer (Lehenssteuer),

           die Selbstverwaltung,

           die von eigenen Hauptleuten und Fähnrichen geführten 

           Soldatenkontingente,

           die eigene Landesgrenzenverteidigung.

In frühester Zeit gab es einen Waibel und die sieben Richter, daher wohl der Ausdruck ,,gesiebt werden". In der Mitte der Landschaft, auf einer in das Tal vorstoßenden Egge - der Bezegg - befand sich das hölzerne Rathaus auf hohen Pfosten, das für 122 Personen für die Versammlungen Platz bot. Es wurde erst während der bayrischen Besetzung Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen. An seiner Stelle steht jetzt eine Erinnerungssäule.

Neben dem Landammann stand der meist juristisch gebildete Landschreiber. Diese Einrichtung war fast erblich: von 1522-1668 war dieses wichtige Regierungsamt in vier Generationen von Mitgliedern der Familie Fürstein besetzt. Dem damals beim Landschreiber beschäftigten Juristen Jerg Jeger verdanken wir den historisch wichtigen ,,Landsbrauch", eine Aufzeichnung aller Gesetze.

Manches Schweizer Museum birgt Beutestücke aus dem verheerenden Schwabenkrieg von 1499, in dem der Bregenzerwald von den Feinden ausgeplündert wurde. Das Kloster Mehrerau mußte seinen Besitz in Diepoldsau sogar verpfänden, um die Bregenzerwäldler auszulösen, die bei der Schlacht von Hard in Gefangenschaft geraten waren. Eine Urkunde von 1507 gibt die Stärke des Bregenzerwälder Kontingentes mit 580 Mann an.

Im Venetianerkrieg 1508-1511 erfolgten viele Anwerbungen von Bauernsöhnen, die ihr Blut einer fremden Sache opfern mußten.

                                            ***

Überall nahm die Missstimmung mit den kirchlichen Verhältnissen zu. Gewiß war im Bregenzerwald davon nicht viel zu spüren. Religion war für das schwer arbeitende Bergvolk ein Halt gegen die Angst vor dem Nichts, vor allem war sie ein erzieherischer Faktor, in dem theologische Unterschiede ohne Bedeutung waren. Luthers Reformvorschläge von 1517 führten unter dem Deckmantel moralischer Besserung zu Machtkämpfen der Fürsten, die dem ganzen Reiche Verderben brachten. Aberglaube und Fanatismus haben auch die Bergwälle des Bregenzerwaldes übersteigen können. Noch der letzte Hexenprozeß gegen die Frau und die Tochter des Landammannes Erhart (1556) ist eine erschütternde Anklage gegen diese Zeit.

Während Vorarlberg seine Bauernkriege längst durchstanden hatte, brach im benachbarten Allgäu der lang erwartete Aufstand aus. Die Bauern wollten die evangelische Freiheit, welche die Anhänger Luthers verkündeten, auch auf ihre soziale Lage ausgedehnt wissen. So haben die 12 Artikel des ,,Manifestes des gemeinen Mannes" überall Zustimmung gefunden, aber der Aufstand artete in wilde Zerstörungswut aus, so daß das Volk nicht mehr Träger der religiösen Bewegung blieb. Dank der Geschicklichkeit der Landammänner konnte der Bregenzerwald, mit Ausnahme Lingenaus, aus der Erhebung und damit auch aus dem entsetzlichen Strafgericht herausgehalten werden. Daß Karl V. knapp vorher (1524) der Familie Feurstein in Andelsbuch einen Wappenbrief verlieh, war wohl sicher nur ein Beschwichtigungsversuch gegen die wachsende Unruhe gewesen.

Das Ereignis, das die ganze Christenheit bedrohte, war der Angriff auf Wien durch den türkischen Sultan Soleiman (1529). Nur die äußerste Tapferkeit aller Reichskontingente, darunter auch die Bregenzerwäldler konnte die Bedrohung Europas abwenden. Bald darauf konnten die Bregenzerwälder Vertreter auch den glänzenden Reichstag von Augsburg besuchen.

                                           ***

Hier ist es am Platze, eines anderen Bregenzerwälder Geschlechtes Erwähnung zu tun, das durch Jahrhunderte mit den Fürstein immer wieder versippt ist. Es ist dies die große Familie Metzler (auch Mätzler und Mäzler), welche dem Bregenzerwald mehrere gute Landammänner und zahlreiche Würdenträger gegeben hat. Der Konstanzer Erzbischof Metzler (von Andelberg) spielte am Konzil von Trient 1545 eine vermittelnde Rolle und schuf auch die erste Bodenseekriegsflotte. Kaiser Karl V. verlieh ihnen den Reichsritterstand. Der herrliche Rundholzschild im Feldkircher Rathaus sowie eine Hinterglasmalerei im Schloss Umbras zeugen vom Kunstsinn dieser Familie.

Seltsam, daß die mystisch-schwärmerische Erregung im Volke nach den Bauernkriegen noch lange anhielt, insbesondere, weil Kaiser Maximilian II. (1564-1576) der Reformation freundlich gegenüberstand und die Toleranz als Grundtugend des Christentumes betonte. So hatte sich auch im Bregenzerwald die Wiedertäufersekte um 1585 in Au ausgebreitet und sich bis 1750 gehalten.

Der gewaltige Schlag der Gegenreformation begann mit dem von Spaniern beherrschten Rudolph II. (1576-1612). Blieb auch der Bregenzerwald von diesen geistigen Auseinandersetzungen verschont, so waren doch die Rückwirkungen aus dem Reich auf Handel, Wohlstand und die geistige Bildung nachhaltig. Noch zehrte das Land ,,mit der gelben Flagge und dem Tannenbaum in der Ecke" vom soldatischen Ruhme von 1546, wo der Bregenzerwälder Landsturm die Stadt Bregenz vor schmalkaldischen Plündererscharen rettete.

 

                                         ***

Das Gebiet des jetzigen Bregenzerwaldes ist um vieles größer als das damals die Landammannschaft war. So berichtet eine Urkunde vom 9. September 1404 von diesem Territorium ,,Egg, Andelspuch, Swarzenberg, Ellenbogen, Bützow und was hinter der Schnepfau liegt, auch Langenegg, die zu ihm gehört". Langenegg-Krumbach gehörte gerichtlich zum Bregenzerwald, hingegen war Lingenau bregenzisches Gericht. Somit war Langenegg-Krumbach eine Enklave.

Mit den Saumverkehrspfaden war eine uralte Verkehrsinstitution, die Herburgen, verbunden. Solche Unterkunftsstätten waren die Herburg bei Mellau, auf die Schnepfegg führend die Rosenburg, am Wege nach Au die Burg in der Hölle, bei Großdorf-Eggatsberg die Meusburg. Außerdem erwähnt der Wiener Kodex für Büzau 1461 noch eine Mospurg. Jetzt sind diese längst vergessen.

Die lebenswichtigen Ausfuhrgüter waren die Schmalzlieferungen über Reutte nach Innsbruck und Hall, obwohl die zwangsweise gedrückten Preise viel zur Verarmung des Bregenzerwaldes beigetragen haben. Sehr begehrt waren die im Krieg wichtigen Saumpferde, die damals im Bregenzerwald gezüchtet wurden. 900 solcher Pferde wurden 1617 von einem Landammann nach Mailand verkauft. Garn war ebenfalls Ausfuhrware, Wein wurde eingeführt.

                                          ***

Im 17. Jahrhundert beginnt sich der Staatsabsolutismus immer stärker bemerkbar zu machen und greift in die Freiheiten, ja selbst in das Privatleben des einzelnen ein. Wieder Krieg: der Bündtnerkrieg 1621 bis 1622, ein Dezenium später sind die Landesgrenzen unablässig bedroht (1633-1647).

Die gern erzählte Frauenschlacht, die von der Vernichtung der schwedischen Soldateska berichtet, dürfte wohl eine alte Sage langobardischer Herkunft sein.

1631 lernt die Bevölkerung des Bregenzerwaldes die Not kennen, als kaiserliche Regimenter kamen, denen im Laufe der Jahrzehnte noch viele andere folgten. Erpressungen von Geldern, Vergewaltigungen der Frauen und Mädchen sowie Verstümmelungen der Männer erfüllten den Alltag. Trotz aller Gegenwehr schmolz der fleißig erarbeitete Wohlstand des Landes dahin. Dazu kamen die Kontributionen und Menschenverluste durch Auswanderungen.

Mit großer Anstrengung konnte 1642 eine Plünderung des hinteren Bregenzerwaldes verhindert werden. Nur die Stadt Bregenz wähnte man uneinnehmbar. Die Reichen, die Klöster und der Adel brachten ihre Schätze dorthin. Dennoch fiel die Stadt 1646 an den schwedischen General Wrangel. Es sollen dreißig Tonnen Gold gewesen sein, die die Schweden als Beute auf Hunderten von Wagen wegführen konnten.

                                        ***

Der Dreißigjährige Krieg hat sich auch auf den fröhlichen, offene Volkscharakter schwerwiegend ausgewirkt. Die Wohlhabenheit war vernichtet, die Moral durch das Soldatenleben verdorben. Es schwanden Bildung, Kunst, Ehrlichkeit. Überall regte sich ein Mißtrauen gegen alles. Unterwürfigkeit und Pedanterie sowie eine düstere Schwermut kamen über den Stamm der Bregenzerwäldler. Geiz und Neid, Protzentum und Habsucht brachen durch. Echte Religiosität wich einer kirchlichen Äußerlichkeit. Es kam soweit, daß Täuschung, Vorenthaltung, Unwahrheit und Übervorteilung des Handelspartners als völlig ausserhalb der religiösen Werteordnung aufgefaßt wurden.

Bereits vor 1635 missionierten die Kapuziner im Bregenzerwald, bis sie 1656 in Bezau ein armseliges Kloster erbauen konnten, von wo aus sie sich unentmutigt um ein alle Bereiche einschließendes christliches Leben eben bei der Bevölkerung bis zum heutigen Tage verdienstvoll bemühten.

Das Ringen um das sittliche Niveau hat auf einem Gebiete einen Erfolg gezeitigt, der bis jetzt angehalten hat. Es wurde nämlich auf Drängen der Bußprediger eine n e u e T r a c h t geschaffen. Sie gilt mit Recht als eine der schönsten deutschen Volkstrachten, weshalb ihre eigenartige Entstehungsgeschichte erwähnenswert erscheint.

Bereits 1534 hatte der Konstanzer Bischof einige Prediger in den Bregenzerwald entsandt. Diese fanden aber die dortige knielange und ärmellose Tracht der Frauen als eine Gefahr für die gute Sitte. 1599 findet sich wieder ein Bericht von Jesuiten über den Bregenzerwald, die dort die Wiedertäufer bekehren sollten. Jedenfalls war die damalige Tracht so, wie jetzt das Dirndl überall verbreitet ist. Einfacher Wollrock von grüner Farbe mit roter Miedereinfassung. So haben also die Missionare im Bregenzerwald sehr klug den importierten Hanf- und Flachsanbau in ihre sittlichen Besserungsabsichten einbezogen. Sie ermahnten lt. Herburger Chronik Seite 454 - die Weibspersonen in der Christenehre, ,,die bisher gehabte ärgerliche Tracht abzulegen und dafür aus weißem Tuch in Hanf und Flachs weiße Juppen anzufertigen, wobei sie auch viel wohlfeiler herauskämen".

Der gelb oder gräulich gebrochene Farbton fand wenig Gefallen. Gleichzeitig aber gewann der von Wien kommende spanische Modegeschmack mit dem feierlichen Schwarz immer mehr Eingang. So entstand daraus die fußlang gefältete, gegläste schwarze Juppe, und die Bregenzerwäldlerinnen fügten mit ihrem ererbten alemannischen Schalk die farbenprächtigen Stickereien hinzu.

So haben die kirchliche Besorgnis um die Keuschheit die spanische Hofmode und die alemannische Fröhlichkeit zusammengewirkt, um diese stilmäßig für große, schlanke und helle Menschen bestimmte Tracht zu schaffen, die zu einer der schönsten des deutschen Kulturraumes gehört. Die alte Tracht aber blieb, selbst mit den roten Rocksaumspitzen, als Unterkleid der Bregenzerwälderinnen weiterhin bis zum heutigen Tage bestehen.

In den goldenen Feiertagskronen und in den künstlerisch hochwertigen Broschen, die am Gürtel rückwärts getragen werden, hat sich ein heimisches Kunstgewerbe große Verdienste geschaffen.

Landammann und Rat befanden diese Trachterneuerung für gut. Bereits 1642 wurde auf Betreiben des Landammannes Josef Greber in Schwarzenberg eine Schwarzfärbe für diese geglästen Juppen errichtet.

Beim Tode des Landammannes Johan Feurstein (1683), des siebten seines Namens, waren die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges noch nicht überwunden. Schon stehen neue Prüfungen bevor. Ein feinsinniger Gelehrter und Künstler, Kaiser Leopold I., mußte alle seine Kräfte gegen die Türken einsetzen, währenddessen dem Reich Lothringen verloren ging und mitten im Frieden die Stadt Straßburg geraubt wurde.

Daß ein deutscher König offenen Reichsverrat betrieben, daß ein christlicher König die Türken mit Geld unterstützte, um solche Aggressionen möglich zu machen, hat die ganze humanistisch gebildete Welt dieser Zeit aufs schwerste erschüttert. 1683 wurden die Türken vor Wien vernichtet. Kein Historiker meldete die Taten des Bregenzerwälder Landsturmes. Es ist uns nur die rührendtapfere Teilnahme des greisen Altlandammannes Joh. Jak. Fink überliefert, der Ihrer Majestät in ihrer Not zu Hilfe kommen wollte und mit seinem Bregenzerwälder Kontingent 1685 bei der Belagerung Neuhäusis und dem Entsatze von Gran mitkämpfte.

Die Umänderungen in der Bevölkerung blieben auch im Bregenzerwald nicht ohne Nachwirkungen. Die Jugend war mit dem patriarchalischen Führungsanspruch der Alten nicht mehr zufrieden. Es kam zu einem Aufstande 1706, der den Landammann Johann Feuerstein VIII. hinwegfegte.

Jeder Beitrag über die Geschichte der Feurstein und Feuerstein wäre unvollkommen, würde nicht auch der großen Bedeutung der Bregenzerwälder Barockbaumeister gedacht. Es hat schon früher kleine Ursprungsgebiete gegeben, die durch längere Zeiträume Zentren hervorragender Begabungen waren. So sind dem Kunstkenner die Comasken, die Graubündner Barockbaumeister und die großartige Gruppe von Wessobrunn, geläufig. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Bregenzerwald die Baumeisterheimat, die mehr als 800 bedeutende Baufachleute hervorgebracht hatte. dabei ist für den Familien- und für den Begabungsforscher von Wichtigkeit, wie diese großen Künstlergeschlechter untereinander versippt waren. Manche Familien haben durch vier Generationen große Meister gestellt. Peter Thums Mutter war Christine Feurstein. Über die anderen Feurstein gibt das Werk von Lieb und Dieth ,,Die Vorarlberger Barockbaumeister"' Verlag Schnell und Steiner, München, umfassenden Aufschluß. Dieses Werk ist deshalb familienkundlich von hohem Wert, weil es neben dem prachtvollen Bildteil Aufschluß über die Auswanderungen gibt. Nach Leitmeritz in Böhmen, nach Wien, München, Frankfurt, den Rhein hinauf, ins Elsaß und in die Schweiz geht das Verteilungsnetz der vielen Bregenzerwälder Bauzüge.

Klöster und Kirchen (Weingarten, Einsiedeln, Birnau, Königsbrück in Elsaß, Obermarchtal u. a.) Schlösser und Adelssitze sind in großer Anzahl von solchen Bregenzerwälder Bauzügen errichtet worden. So hat z. B. Meister Peter Thumb ,,aus dem Land ins Elsaß Polier, Gesellen und Buben zweihundert mitgenommen".

Familiengeschichtlich ist die Behandlung der Bauleutezunft von Ausserhalb deshalb so aufschlußreich, weil damit auch die rassische Zusammensetzung der Vorfahren eine Aufhellung erhält. Wie konnte es im kleinen Orte Au zu einer s o l c h e n Begabungshäufung kommen?

In diesem Raume haben sich drei Volks- und Kulturströme getroffen und überkreuzt. Einmal die frühen Siedler, die A1emannen, dann als zweiter wichtiger geschichtlicher Faktor die

R h ä t o r o m a n e n, die vom Walgau aus über die Pässe in den hinteren Bregenzerwald kamen, und dann als drittes Element im 13. und 14. Jahrhundert die V a l s e r. Diese aus dem Wallis und Berner Oberland ausgewanderte, vorwiegend auch alemannische, Gruppe hat zweifellos auch mediterrane Volksteile mitgebracht. Gerade diese fallen im hinteren Bregenzerwald durch klassische Schönheit immer noch auf. Im Herkunftgebiet der Valser am Monte Rosa ist das Dorf Alagna ein Bauhandwerkerzentrum.

,,Die Berührung des Alemannentums mit den Reserven rhätoromanischer Elemente und den Möglichkeiten immer wieder erneuerter Verbindung zu Italien hat ein eigenartiges kraftvolles und hochbegabtes Volkswesen entstehen lassen. Die Auseinandersetzung und Synthese germanischer und romanischer Elemente ist als für die Barockarchitektur allgemein bedeutsam erkannt.." (Norb. Lieb)

Damit stehen wir vor einer biologischen Erklärung, wieso sich die besonderen Kräfte und Begabungen im hinteren Bregenzerwald so verdichten und erhalten konnten. Im äußeren Erscheinungstyp gleichen sich die nordischen und mediterranen Elemente - von den Farben abgesehen ohnehin sehr.

Es bleibt eine berechtigte Frage offen: weshalb hat der Bregenzerwald selbst keine der farbfrohen, strahlenden Barockkirchen? Warum entfalteten die Bregenzerwälder Baukünstler in der Fremde eine überschäumende Lebenskraft, während in der Heimat kein Auftrag ihrer harrte? Lag es am veränderten Volkscharakter oder an der wirtschaftlichen Notlage? Wir wissen es nicht, aber wohl war eine Religiosität, die gewillt gewesen wäre, solche gewaltigen Opfer zu bringen, auch nicht mehr lebendig.

Wie schon erwähnt, war der Beginn des 18. Jahrhunderts ein Zeitraum bewegender Stürme in der Politik und in der Lebensauffassung. 1702 drohte eine Loslösung des Bregenzerwaldes von Österreich und eine Aufteilung auf die Stifte Kempten und St. Gallen. Nur am erbitterten Widerspruch der Stände scheiterte diese Absicht,

Der Spanische Erbfolgekrieg 1714 und schließlich der Österreichische Erbfolgekrieg 1734-1745 verlangten auch vom Bregenzerwald neue Opfer.

Wenn auch der Bregenzerwald naturgemäß wenig Bindungen zum Wiener Hofe hatte, erwachte doch eine große Begeisterung für die junge Kaiserin Maria Theresia, als diese von beutegierigen Machthabern überfallen wurde.

Die Reformen ihres Sohnes Joseph II. haben im Bregenzerwald wenig Auswirkungen gehabt. E i n e Maßnahme, die er traf, ist dennoch für die Familiengeschichten vieler Österreichischer Geschlechter von seltsamer Nachwirkung geblieben; denn Joseph II. zwang nach 1780 die bisher namenlosen galizischen Juden, nunmehr Familiennamen anzunehmen. Dadurch sind auch die Namen Feuerstein, Metzler und andere Wäldlernamen von solchen Volksgruppen angenommen worden. Gegenwärtig gibt es - fast ausschließlich in den USA - viele Nachkommen dieser galizischen Zuwanderer, die natürlich nicht den geringsten Zusammenhang mit den Bregenzerwälder Landammannsgeschlechtern haben.

Der Beginn des 19. Jahrhunderts brachte das Ende der bäuerlichen Selbstverwaltung des Bregenzerwaldes. Als nach den Franzosenkriegen der Bregenzerwald bayrisch wurde, konnten nur noch Standesrepräsentanten vom Volke gewählt werden. Als dann nach dem Sturze Napoleons der Bregenzerwald wieder an Österreich zurückgegeben werden mußte, dachte die Wiener Bürokratie nicht mehr daran, die alten Rechte und Freiheiten anzuerkennen.

Der Bregenzerwald wurde ein Verwaltungsgebiet wie viele andere in der K. K. Monarchie.Damit endete auch die Macht und die Größe der alten Geschlechter, die sich dem Handel zuwandten und immer mehr die Weite der ererbten politischen Begabung verloren.


                                      



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